von Frieda Bellmann
Wenn man auf die gesellschaftliche Entwicklung schaut, wird klar, dass nachhaltiges Denken und Handeln zukünftig Teil einer jeden Entscheidung sein wird. Immer mehr Konsument:innen beziehen den Aspekt der Nachhaltigkeit in eine Kaufentscheidung mit ein. Einer Befragung von Ernst & Young aus dem Jahr 2020 zur Folge achten 52 % der 2.500 befragten Konsument:innen beim Kauf von Lebensmitteln auf Nachhaltigkeit, gefolgt von Haushaltsgroßgeräten sowie Kleidung und Schuhen. Besonders bei den Jüngeren ist die Bereitschaft hoch, umweltfreundliche Produkte zu kaufen: 48 % der 30- bis 39-Jährigen und 41 % der 18- bis 29-Jährigen würden für nachhaltige Produkte mehr Geld ausgeben – Tendenz steigend.
Der „Nachhaltiger Konsum in Deutschland 2021 Report“ macht es sogar noch deutlicher: Jede:r zweite Befragte gab an, sein: Konsumverhalten aus Gründen der Nachhaltigkeit bereits geändert oder angepasst zu haben. Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass Menschen durchaus bereit sind, auf nicht-nachhaltige Angebote zu verzichten. Mehr als jede:r Vierte setzt das bereits um und hat den Kauf bestimmter Produkte oder die Nutzung umweltschädigender Services eingestellt. Nachhaltigkeit, also der Einklang von sozialen, ökologischen und ökonomischen Zielen (People, Planet, Profit) in der Unternehmung, wird ein Hauptfaktor in der Kaufentscheidung der Nutzenden darstellen, sowie zur Wettbewersfähigkeit am Markt führen. Um attraktiv für Kund:innen und damit auch zukunftsfähig zu sein, werden Unternehmen immer stärker auf Angebote setzen müssen, die dieses Bedürfnis der Kund:innen befriedigt. Bei der Entwicklung solcher ansprechenden Nutzererlebnisse wird Service Design eine große Rolle spielen – vor allem im Sinne der Digitalisierung und Konnektivität.
Services sind holistische Systeme, in denen mehrere Prozesse parallel stattfinden: Ein Service besteht zum einen aus dem Service-Angebot, also dem Mehrwert, den sich der Mensch mit der Nutzung verspricht. Menschen nehmen eine Dienstleistung wahr, indem sie mit Anbietenden an mehreren Touchpoints interagieren. Außerdem braucht es eine Servicelandschaft, eine Infrastruktur oder Umgebung, in welcher der Service genutzt wird.
Service Design ist der Prozess der Gestaltung einer solch ganzheitlichen Dienstleistung. Der Mensch, also der:die Nutzende, wird in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Um seine Bedürfnisse und Interaktionen herum werden Prozesse und Abläufe kreiert, die so reibungslos und konsistent wie möglich sein müssen, um eine „Seamless Experience“ abzubilden. Trotzdem ist es keine reine Dienstleistungs-Optimierungs-Strategie. Vielmehr geht es um das Schaffen einer User Experience. Die Entwicklung basiert auf den Bedürfnissen der Nutzer:innen oder weiterer Stakeholder. Am Ende entsteht ein Service, der für die Nutzenden relevant sowie attraktiv ist und gleichzeitig wettbewerbsfähig sein wird.
Im klassischen Produktentwicklungsprozess wird mit der Konzeption von technischen Anforderungen, z.B. neuen Technologien und Funktionsbeschreibungen begonnen. Im Service Design wird der klassische Prozess umgekehrt. Es werden nicht wie bisher die technischen Funktionen, sondern die Nutzeranforderungen und der gesellschaftliche Kontext an den Anfang gestellt.
Die Grundlage für die Entwicklung bildet das Verständnis für die Nutzer:innen, ihre teilweise versteckten Bedürfnisse, ihr Verhalten, Werte und Motivationen. Das passiert unter Berücksichtigung von Zeitgeist, den Megatrends wie Individualisierung oder Konnektivität und den Veränderungen in der Gesellschaft. Aus diesen Insights werden Lösungen für die Pain Points der Nutzenden entwickelt. Um alle bereits erwähnten Faktoren einfließen lassen zu können, ist der Entwicklungsprozess iterativ und durchläuft mehrere Recherche-, Konzeptions-, Test- und Feedbackphasen. Bei diesem hochdynamischen, interaktiven und sehr komplexen Prozess müssen Menschen, Technologien, Produkte und das entsprechende Marketing aufeinander abgestimmt sein.
Auch nach erfolgreicher Veröffentlichung des Services wird dieser kontinuierliche Feedbackprozess weitergeführt. Die beständigen Rückmeldungen der Nutzenden, das Sammeln von Daten über die Nutzung und das konsequente Überprüfen der einzelnen Aspekte sorgt dafür, dass ein Service sich auch den veränderten Lebensrealitäten seiner Nutzenden anpassen kann, sozusagen „mitwächst“.
Diese absolute Fokussierung auf die Menschen ist ein entscheidender Faktor in Sachen Nachhaltigkeit. Vor allem im Konsumgütersektor aber auch in Bereichen wie der Mobilität liefert Service Design eine immer präzisere Antwort auf die Frage „Welche Angebote brauchen wir wirklich und wie bringen wir diese zu den Kund:innen?“. Überflüssige und an Nutzer:innen vorbei erdachte Ideen sowie der unnötige Verbrauch von Ressourcen können so vermieden werden. Dies macht Service Design zu einer entscheidenden Determinante in Sachen Zukunftsfähigkeit.
Frieda Bellmann ist Director of Human-Centered Innovation bei VORN Strategy Consulting. Mit ihren Kolleg:innen berät sie Unternehmen strategisch zu den Themen Marken, Produkte und Innovation. Friedas Expertise liegt vor allem in der Entwicklung von Geschäftsmodell-, Service- und Produktinnovation.
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