von Philipp Neuenfeldt
Die Ampel-Koalitionäre haben sich nicht weniger vorgenommen als eine Reform der öffentlichen Verwaltung (digitaler, bürgernäher, service- orientierter, vernetzter) und den Nutzer:innen wieder die Hoheit über ihre Daten zu geben. Zwar bleiben einige Details noch im Vagen, z.B. in welchem Umfang Interoperabilität zu gewährleisten sein wird. Auch hier gibt es Beispiele (Handyladestecker), die zeigen, dass einheitliche Standards zwar technisch möglich sind, in der Umsetzung aber lange auf sich warten lassen können. Die groben Linien der Koalitionäre aber sind eindeutig.
Die Digitalpolitik erfährt eine Rückbesinnung auf die Bürger:innen statt auf den Staat. Weniger law-and-order, mehr privacy-by-default. Das wird die Rechte der Nutzer:innen stärken, aber auch Anbieter:innen von Onlinediensten vor technische und manche auch vor ganz praktische Herausforderungen stellen. Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die legislativen Vorschläge, die die Ampel-Koalitionäre noch vorzulegen angekündigt haben.
Aber nicht nur digitale Dienstleistungen spielen eine Rolle im Koalitionsvertrag. Auch die Digitalisierung der Verwaltung ist als ambitioniertes Vorhaben skizziert. Zu großen Teilen lässt sich der Koalitionsvertag deshalb als Selbstvergewisserung lesen, Deutschland könne noch Reform und Erneuerung. Es ist ein Geist des Aufbruchs, der auf die GroKo-, aber auch auf die Merkel-Jahre antwortet.
Was ändert sich gesetzlich?
Vieles bleibt abzuwarten und wie immer liegt der Teufel im Detail. Was aber lässt sich schon jetzt sagen? Die Perspektive der Koalitionäre ist eine, die die Verbraucher:innen wieder in den Mittelpunkt staatlichen Handelns setzt, Verwaltung wieder – in Teilen sicher: erstmals – als Dienstleistung sieht und Konsumenteninteressen vor Unternehmensinteressen setzt.
Dass sich alle künftig vorzulegenden Gesetze einem Digitalcheck zu unterziehen haben, ist dabei eher gute PR als aus der Werkzeugkiste erfolgreichen Regierungshandelns: Denn schon heute gäbe es im Mitzeichnungsverfahren der Ministerien ja jede Möglichkeit, auf Auswirkungen auf die digitale Welt oder auf digitale Umsetzungsmöglichkeiten verwaltungsseitig hinzuweisen. Der Digitalcheck kann aber helfen, genau diese Frage allen Ministerien noch einmal als freundliche Erinnerung vor Augen zu halten.
Die Zeit wird zeigen, ob Deutschland mit diesen Vorhaben nun endlich seinen digitalen Rückstand aufholt, echte strukturelle Veränderungen anstößt und damit Maßstäbe für eine bürgernahe Verwaltung made in Germany setzen wird.
Philipp Neuenfeld ist Senior Director bei der politisch-strategischen Kommunikationsberatung 365 Sherpas. Er berät branchenübergreifend Kund:innen zu Fragen der strategischen Positionierung und Interessenvertretung in Deutschland. Sein Herz schlägt dabei für den Tech-Sektor und Kund:innen, deren Geschäftsmodelle Gesetze und etablierte Wettbewerber herausfordert.
Ausführlich spricht er im HINTERGRUND-Podcast „Spezial Koalitionsvertrag“ mit Sonja Schaub über das Thema Digitales.
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