von Sina Wellschmiedt
Wir verstehen uns in der Hirschen Group als Plattform für kreatives Unternehmertum. Hört sich vielleicht wie leere Worthülsen an, ist aber sehr ernst gemeint und wird auch entsprechend gelebt. Klingt gut, aber was heißt das jetzt? Was unterscheidet uns von anderen Agenturgruppen? Und was bedeutet das für unsere Tochteragenturen, ihre Gründer und Geschäftsführer*innen, ihre Mitarbeitenden?
Klassischerweise ist eine Holding wie unsere ja vor allem ein Outsourcing-Instrument, mit dem die Tochteragenturen die gängigen Services wie Buchhaltung, Personalverwaltung oder IT-Dienstleistungen möglichst effizient bündeln können. Das funktioniert, solange alle Strukturen und Prozesse noch eine gewisse Einfachheit haben und alle das Gleiche bekommen können / sollen / wollen. Es gibt sicherlich einige wenige Dinge, bei denen das nach wie vor sinnvoll ist. Bei uns betrifft das zum Beispiel IT-Server, Joberfassung oder Personalmanagement-Tools. Aber bei sehr vielen Sachen müssen wir hinterfragen, ob „Einheitsbrei“ wirklich das Beste für alle tun kann. Und dann lautet die Antwort oft „Nein“.
Heute wissen wir, dass wir als Holding noch viel drängendere Aufgaben haben, damit wir als Unternehmen insgesamt zukunftsfähig bleiben. Das konnte man vor einiger Zeit auch schön in einer Studie von Roland Berger nachlesen, in der es heißt:
„Die besten Headquarter lagern die administrativen Tätigkeiten tendenziell eher aus. Sie zielen vielmehr auf die effiziente Vernetzung dezentral angesiedelter Funktionen ab. Ihr Hauptaugenmerk aber richten sie darauf, die Megatrends der Zukunft zu begleiten: Sie setzen ihre Kapazitäten ein, um die Innovationskraft zu stärken, die Digitalisierung voranzutreiben und für strategische Führung zu sorgen“, erläutert Tim Zimmermann von Roland Berger die Studienergebnisse.
Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass es noch eine ganze Reihe Argumente gibt, die dafürsprechen, das klassische Holding-Verständnis zu überdenken.
Da gibt es zum Beispiel unsere starke Dezentralität. Bei acht Agenturmarken in 11 Städten in vier Ländern und mit knapp 900 Mitarbeitenden macht Schema F in unserer heutigen dynamischen Zeit immer weniger Sinn. Denn die Kulturen und Arbeitsweisen vor Ort lassen sich nicht (und sollten wir auch nicht!) über einen Kamm scheren. Individualität in der Betrachtung und dann eben auch Behandlung sind hier gefragt. Dazu kommt, dass Dezentralität oft zu weiten Wegen führt und es dauert, bis ich jemandem, der nicht nah dran ist, erklärt habe, was gebraucht wird und wie etwas erledigt werden soll. Dann habe ich es meistens dreimal selber gemacht. Egal worum es geht.
Darüber hinaus ist es wichtig zu verstehen, dass Aufgaben, die abgegeben werden, nicht selber gelernt werden. So wird kollektives Wissen verhindert und die Handlungsfähigkeit auf einige wenige Köpfe reduziert. Das ist weder effizient noch effektiv.
Was tun wir nun also, um all diesen Punkten gerecht zu werden? Unser Wachstum der letzten Jahre hat uns bestimmt schneller und intensiver zur Weiterentwicklung bewegt als andere. Unser eigentlicher Zweck ist weder, die Dachmarke zu sein, noch irgendwelche Shared Services anzubieten, auch wenn wir das in Teilen tun.
Wirklich wichtig ist: Wir bieten im Sinne der Potenzialentfaltung eine Plattform, wir sind für das „Möglichmachen“ zuständig. Wir verstehen uns in der Holding also vor allem als Enabler, Netzwerker, Knowledge-Pool, Trendforscher und Kollaborationskatalysator. Die richtigen Menschen mit den richtigen Skills zum richtigen Zeitpunkt für eine Aufgabe zusammen zu bringen, damit sie gemeinsam stärker sein können, und sie gleichzeitig mit dem bestmöglichen verfügbaren (Zukunfts-)Wissen und Werkzeug auszustatten, darin liegt unser Kern.
All unsere Projekte haben das Ziel, die Kraft zurück ins Zentrum zu geben, zu den Kolleg*innen in den Tochteragenturen. Wenn es irgendwie möglich ist, nehmen wir den Menschen keine Arbeit ab, sondern befähigen sie dazu, dass sie es spätestens beim dritten Mal selbst können. Dabei geht es nicht darum, dass sie noch mehr Aufgaben erledigen sollen. Es ist einfach viel sinnvoller, wenn die Herausforderungen dort gelöst werden, wo sie auftreten.
Ein gutes Beispiel aus meinem Arbeitsalltag ist der Umgang mit arbeitsrechtlichen Situationen. Natürlich könnte die jeweilige Einheit einen Kündigungsfall zur Bearbeitung einfach an uns abgeben. Viel besser ist es aber, den Teams dabei zu helfen, wie sie solchen Fällen vorbeugen und – wenn sie sich dann eben einmal nicht vermeiden lassen – wie sie damit eigenständig umgehen, was Grundsätze des Arbeitsrechts sind, usw. Dann können sie es irgendwann ohne unsere Unterstützung. Die Wege sind dann wieder kurz und schnell. Guter Nebeneffekt: Wir haben eine viel höhere Authentizität und kulturelle Verankerung „am Ort des Geschehens“. Die Irritation, dass da „jemand aus der Holding“ auf den Plan kommt, bleibt aus.Plus: Im Holding-Team ergeben sich Freiräume, da wir unsere Kapazitäten auf Dauer nicht in operative Einzelfälle stecken, sondern an Themen arbeiten können, die uns wirklich weiterbringen.
Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Was tun wir stattdessen? Wenn wir uns also als People-Consultants der Holding aus dem operativen Geschäft weitgehend heraushalten, haben wir die Möglichkeit aus der Vogelperspektive auf die ganze Gruppe zu schauen. Wir sehen, wo sich Anknüpfungspunkte ergeben, wo es Sinn macht, Menschen zusammenzubringen, welche Themen brennen, wo Entwicklung notwendig ist und manchmal eben auch – mit etwas mehr Abstand zur operativen Mühle – was in der Zukunft relevant sein wird.
Dabei versuchen wir unsere Themen und Methoden so zu wählen, dass sie möglichst vielen möglichst schnell zugänglich sind. Nur, was einen echten Mehrwert schafft, erblickt auch das Licht der Welt. Darüber hinaus muss es hochrelevant sein, also einen entsprechenden Bedarf decken. Was diese Kriterien nicht erfüllt, wird nicht gemacht. So kann es auch mal passieren, dass „klassische HR-Themen“ von der Liste fliegen.
Methodisch finden wir dafür zumeist Formate, die dabei helfen, Wissen zu teilen und standortspezifische Beispiele einzelner Einheiten wie Vertrauensurlaub, Peer-Feedback oder selbstorganisierte Teams für alle zugänglich zu machen. Das führt zu Inspiration, Lernen und Ausprobieren.
Es ist großartig, dass wir nicht immer direkt den großen Tanker navigieren müssen. Stattdessen können wir mit kleinen Beibooten ausprobieren, wie sich so eine Drehung anfühlt. Und wenn es geklappt hat, machen es die nächsten drei oder vier auch. Aber nur, wenn es für sie passt. Und auf ihre Art. Am Ende ist das dann wie ein Puzzle, das sich organisch zusammensetzt.
Unsere übergreifenden Projekte fokussieren die Vernetzung der Menschen. Wenn beispielsweise die neue Geschäftsführerin beim gruppenübergreifenden Onboardingevent den Trainee einer anderen Agenturmarke kennenlernt, dessen Expertise ihr später weiterhelfen wird oder eine Projektmanagerin nicht einen leeren „Kennt sich jemand mit xyz“-Aufruf im Intranet posten muss, sondern schon weiß, welche Spezialisten aus einer Schwesteragentur helfen könnten, dann bringt uns das alle weiter. Das ergänzt dann sinnvoll das Onboarding auf Marken- und Standort-Ebene. Kollektives Wissen, ego-freie Zusammenarbeit über GmbH-Grenzen hinweg und das Erkennen von Möglichkeiten im größeren Kosmos sind hier die entscheidenden Stichworte. Natürlich am Ende immer mit dem Ziel, dass es unser Business stärker und unsere Leute zufriedener macht.
Ähnlich sieht es im Bereich Learning & Development aus. In unserer zentral organisierten BRAVE ACADEMY forcieren wir regelmäßig Formate, in denen Innovationen, Trends und Zukunftsmodelle genügend Raum finden. Somit hat die Academy neben Inhalten, die auf konkreten und akuten Bedarfen aus den Standorten basieren, einen weiteren Strang, der mit Zukunftsthemen bespielt wird, die wir aufgrund unseres Überblicks aus der Vogelperspektive, erarbeiten können. So haben alle Mitarbeitenden der Gruppe die gleiche Chance an vorhandenem (Zukunfts-)Wissen teilzuhaben und sich weiterzuentwickeln.
Menschen mit Ideen, Mut und Unternehmergeist haben innerhalb unserer Gruppe die Chance dies auszuleben, ohne alles ständig alleine stemmen zu müssen. Wenn Sachen kommen, die zu groß für die eigene Agentur, den eigenen Standort sind oder wenn ich eine bestimmte Expertise nicht aus den eigenen Reihen bedienen kann, habe ich unkompliziert die Möglichkeit zu sagen: „Wer möchte das mit mir zusammen machen? Das schaffe ich alleine nicht.“ Das macht einfach einen riesen Unterschied.
Klar geht es auch bei uns am Ende des Tages um harte Zahlen. Natürlich wollen wir, dass all unsere Einheiten erfolgreich sind. Natürlich ist wirtschaftlicher Erfolg das Maß aller Dinge. Ohne geht es nicht. Nichtsdestotrotz ist es ein großer Unterschied, ob ich mit meiner Agentur selbstständig bin und – wenn etwas in die Hose geht oder unvorhergesehene Entwicklungen (wie z.B. aktuell die Coronakrise) mein Geschäft aufwirbeln – alleine dastehe. Oder, ob ich Teil einer Gruppe bin, wo ich weiß, dass ich ein Back-up habe. Egal, wie es läuft, ich habe Mit-Menschen, die mich unterstützen, die mir helfen. Und ein „Zuhause“, auf das ich mich verlassen kann. Das nennen wir HOME OF THE BRAVE.
Dieser Artikel von Sina Wellschmiedt ist zuerst auf Xing erschienen.
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